NEUES TALENT IN DER KÜCHE

 

 

 

 

Sie hört Beats und Rhythmen aus der Küche. Die Tür ist zu, aber durch das Glas kann sie ihren Sohn herumwerken sehen. "Was fabriziert der da?", fragt sie sich. Meist sind es Nudelgerichte, grüner Salat mit Feta, Müsli mit Kokosnussmilch. Es zieht ein Bäcker-Duft um die Ecke, direkt an Lillys Schreibtisch. "Was wird das?", fragt sie sich, klopft an. "Geh weg.", ruft er und macht deutlich, dass er seine Ruhe beim Experimentieren haben will. Es fällt ihr schwer, weil es so gut riecht - nach Gebackenem. 

 

 

Nach einer gewissen Zeit, geht die Tür auf und der ganze Spuk ist vorüber. In der Küche steht ein leeres Backblech am Waschbecken, das Fenster ist geöffnet, die Klappe des Ofens steht leicht offen, es strömt warme Luft raus. "Hast du Brot gebacken?" fragt sie, doch ihr Sohn hat sich mit der Ernte seiner Arbeit in sein Zimmer zurückgezogen. Sie sieht nur im Vorbeigehen, dass er ein Ciabatta-Brötchen in seiner Hand hält - eines von drei. Ihr Magen knurrt und das Wasser läuft ihr am Gaumen zusammen.

 

 

"Krieg ich auch eins?", ruft sie ihm - wieder im Wohnzimmer - zu. "Nächstes Mal.", gibt er eine Antwort, scheinbar mit vollem Mund. Jetzt weiß sie auch, was am Vorabend in der runden Chromschüssel war, zugedeckt mit einem Lappen: Brotteig! Es wurde ihm zu bunt, jedes Mal, wenn er Lust auf Brötchen hat, zuerst zum Lebensmittelhändler oder in die Bäckerei zu laufen.

 

 

Lilly versteht das sehr gut, denn das Gebäck ist eben doch nicht zu vergleichen, mit frisch Selbstgebackenem. Nun hat er die Freiheit, sich selbst zu jeder Tages- oder Nachtzeit, Abhilfe zu schaffen, wenn er Verlangen nach frischen, noch warmen Brötchen hat - garantiert ohne Zusatzstoffe, oder was ihm wahrscheinlich noch wichtiger ist, ohne dass es jemand zuvor in den Händen hatte.

 

 

"Gut gemacht.", denkt sie sich, als sie im Küchenschrank, zwischen den ganzen anderen Mehlsorten, eine neue Brot-Backmischung stehen sieht. "Ist wahrscheinlich nicht nur frischer und hygienischer, sondern auch noch günstiger.". Sie ist begeistert von seiner Kreativität, mit der er sich selbst Vorteile schafft, unzufriedenstellende Situationen eliminiert.

 

 

"Machst du nächstes Mal ein Brötchen mehr?", kündigt sie ihren Wunsch an, eines seiner leckeren Fabrikationen aus eigener Produktion, verspeisen zu wollen. Beim nächsten Backvorgang darf sie zusehen und bewundert, wie er seine Herstellungsabläufe optimiert, inzwischen sogar die Menge des Mehls portioniert. Als sie bemerkt, dass ihr immer wieder das benützte Backblech neben die Spüle gelegt wird, interveniert sie aber.

 

 

"Ich weiß, dass deine Urgroßeltern mit ihrer Bäckerei den ganzen Ort mit frischem Brot versorgt haben, aber einen kleinen Tipp kann ich dir trotzdem geben.". Sie öffnet den Küchenschrank und kramt einen länglichen, knallbunten  Karton zwischen den ganzen Schachteln mit verschließbaren Gefrierbeuteln, Alufolien mit Abrissleisten, Jausen-Säckchen und Eiswürfel-Tüten heraus: "Mehrmals verwendbares Backpapier."