likes & follower

 

 

 

"Kann man eigentlich seine eigenen Storys liken?", lacht Lilly, als sie merkt, dass sie bei ihren Geschichten ein paar Nachzügler dabei hat, die zwar gelesen werden, aber nicht geliked. Sie hat es schon mit anderen Titeln probiert, witzigeren Titelbildern ein wenig verändertem Schluss-Satz oder sogar kleinen Veränderungen an Sätzen im Text - es hilft alles nichts.

 

 

Sie bekommt Mitleid mit den beiden Storys und überlegt, ob es an ungünstiger Stunde oder am Vollmond liegt, daran, dass es einfach ein Shit-Inhalt ist oder zu "unbequem". "Wahrscheinlich mobbt euch der Geschichto-Mat, spuckt euch nicht als Vorschlag aus.". Seit sie solche Gefühle für ihre zwei Stiefkinder bekommt, achtet sie darauf, dass sie, wenn sie eine der vielen neu veröffentlichten Geschichten, der Leute, denen sie folgt, gelesen hat, auch liked und sich nicht zu schnell davon abhalten lässt, zu "kommentieren". Irgendeinen Gedanken oder Gefühlsregung hat man ja immer bei den Storys, also warum nicht mitteilen.

 

 

Bei Reisegeschichten ist sie immer superhappy über neue Geschichten über Abenteuer in der Ferne und da ist es natürlich keine Frage, sofort den eigenen Senf dazuzugeben und die eigenen nächsten Ausflüge, Ausfahrten oder Reisen in Angriff zu nehmen, doch hat sie in der Selbstbeobachtung über die Monate seit Jänner bemerkt, dass sie, wenn der Text ihrer Empfindung nach langweilige oder unangenehme Dinge beinhaltet oder sie eine andere Meinung dazu hat, das "Weiterklicken" immer sehr schnell geht und das will sie ein bisschen verändern.

 

 

"Witzig, was man in drei Monaten alles über sich selbst herausfindet.". Erstaunlich ist auch, wie sich die Lese-Zahl auf 12157 steigert, aber die Like-Zahl so hinten nachschleift mit 1849. Andererseits, wenn man diese Zahlen auf etwaige Buch-Käufer rechnet, kann es wiederum egal sein, ob dem Käufer das gute Stück gefällt, weil gekauft ist es ja dann schon.

 

 

Sie guckt auf ihre Bücherwand und überlegt, wie viele der guten Stücke sie immer wieder kaufen würde und bemerkt, das so ziemlich jedes Buch, dass sich da auf den Holzregalen befindet, ihr auch fehlen würde, wenn es plötzlich nicht mehr "anwesend" wäre. Irgendwann pendelt man sich wohl auf ein paar 500 Lieblings-Stücke ein, nachdem schon ganze Wände voller Zeitschriften und Büchern beim Übersiedeln weggekommen sind, verschenkt, an die Kinder weitergegeben oder an Besucher verborgt - was dann eigentlich in die Verschenkt-Rubrik fällt - wurden.

 

 

Lilly wird sich nicht mehr über Kettenraucher mokieren, denn Bücher kosten wohl mehr, ist nicht weniger eine Sucht und gibt beim Lesen ebenfalls den Mitmenschen das Gefühl nicht anwesend zu sein, obwohl... natürlich nicht ...gesundheitsschädlich, naja vielleicht ein bisschen bewegungshinderlich, aber lesen macht auch am Laufband Spaß mit den Weltnachrichten am Bildschirm überm Fenster mit Aussicht auf den Trubel am Strand und in der Sauna danach und beim Nachhausegehen...