lewer duar, üs slaav

 

 

 

"Ein angekohlter Brief, Kette mit Totenschädel, zwei silberne Muscheln?". Lilly wundert sich über geheimnisvolle Botschaften im Waschkeller. Jemand hat auf Samuels Wäschehaufen Dinge aus dem Piraten-Reich hinterlassen. Sie hat schon eine Ahnung. Neugierig rollt sie Nachricht auf und in alter Schrift steht da: "Für den besten aller Sylt Piraten". Mit einer Unendlichschleife darunter.

 

 

"Uhhh! Hattest du einen Schreck bekommen?", fragt sie ihren Sohn nachdem er ihr den Schatz mit in die Wohnung brachte. Er ist sichtlich überrascht und beeindruckt. Sie gucken beide zum Nachbar unter ihnen auf der Terrasse, wo aber niemand ist- dafür wieder eine andere Flagge gehisst. Jeden Sonntag läuft ein Teil des Piraten-Blockbusters ´Fluch der Karibik´, weswegen dieser Totenkopf-Anhänger an einem schwarzen Lederband eine gespenstische Wirkung hat.

 

 

Zuerst hängt er eine Zeit lang als Schutzgeist vor der Eingangstür, dann kommt er auf den Berg gesammelter Muscheln auf den Tisch, wo ihm die Sonne ins knochige Gesicht scheint. Aber seine unheimliche Wirkung entfaltet sich erst nachts, wenn daneben die kleinen, nach Vanille duftenden Teelicht-Kerzen ihren weichen, tanzenden Schimmer auf das glänzende Silber werfen und die Schatten an der Wand tanzen.

 

 

Sie greift zum Sagenbuch und liest über Pidder Lüng - dessen Ausspruch zur Legende wurde. Dieser wurde als Kind oft an der Nase herumgeführt und deshalb sagte er als Jugendlicher zu allem "Nein.", war widerspenstig und hartnäckig. Nur seiner Mutter, weinenden Kindern und seufzenden Armen gegenüber hatte er Mitleid im Herzen.

 

 

Unterdess wurde er groß und stark, half beim Fischfang. Und genauso gruselig wie bei Lilly gerade der Vollmond die Nacht erhellt, geht es bei Pidder Lüng weiter, als er eines Abends bei hellem Mondschein und mildem Wetter einsam und in Gedanken vertieft im Wardüntal auf der Stätte, wo sich das Haus seines Großvaters einst befand, stand. Es kam ihm vor, als ob eine händeringende, weinende Gestalt auf dem Herdsteine des alten, verbrannten Hauses säße.

 

 

Je länger Pidder die Gestalt anschaute, desto mehr nahm sie bestimmte Züge an und überzeugte ihn, ein wirkliches Wesen zu sehen. "Wer bist du?", fragte er. "Ich bin die Stavenhüterin. Wo fromme, freie Menschen gewohnt haben, da bewache ich die Stätte. "Möchtest du deinem Großvater ähnlich sein, zu wehren mit festem, männlichem Sinn dem Greul der Verwüstung, zu retten von den Tugenden und Freiheiten der Vorfahren oder wenn du nicht siegen kannst, im Kampfe unterzugehen nach alter Weise, denn: Lewer duar, üs Slaav!". Pidder schwor: "Ja, lewer duar, üs Slaav!". Daraufhin verschwand die Fee, die der Geist einer tugendhaften Frau gewesen sein soll. 

 

 

Lilly klappt das Sagenbuch zu, auf dem eine Frau abgebildet ist, die in einer Höhle ihrem Kind etwas vorliest. "Und was soll das nun heißen? Lewer duar, üs Slaav?". "Lieber tot, als Sklave! Das haben wir schon in der Grundschule gelernt.", erklärt ihr der beste Pirat von Sylt.