LUST AUF MEHR

 

 

 

Durch diese harte Regulation durch die Virus-Situation in ganz Europa, der ganzen Welt bekommt Lilly wieder richtig Sehnsucht nach Tapetenwechsel und neuen Eindrücken, andere Umgebung, andere Gerüche, Stimmung, Herausforderungen. Wegfliegen könnte wieder mal am Programm stehen - sie hat inzwischen drei gewonnene Reisen auf ihrem Schreibtisch liegen, die eingelöst werden sollen.

 

 

Sie wüsste wen, der sich besonders über Neuland freuen würde, denn seit Lilly auf der Insel lebt, hat sie bisher kein Verlangen den megasauberen, naheliegenden Strand auszutauschen. "Natürlich müssen Kinder auch mal andere Plätze sehen und die Welt entdecken - nur Städtereisen sind nicht der Oberknaller, wenn die Mitschüler mit Reisegeschichten aufwarten."

 

 

"Wo ist eigentlich die große Weltkarte, die hier immer an der Wand hing? Da hatte ich doch alle bisherigen Destinationen markiert.", irrt Lilly suchend durch die Wohnung. "Liegt die zusammengerollt unterm Bett?". Der Sohn schüttelt den Kopf. "Da standen nur Orte drauf, wo du warst.". Sie sucht nicht weiter, geht zurück an den Schreibtisch, betrachtet die Reisegewinne für Rundreise und Badeurlaub in der Türkei, zum Gardasee und nach Barcelona.

 

 

"Das stimmt nicht. Sehr viele Reisen haben wir zusammen gemacht. Da könnt ich Bücher drüber schreiben.". Sie gibt die Daten auf der Seite des Reisebüros ein und soll sich ein für sie passendes Datum aus den angebotenen Terminen auswählen. Da nun sowieso nicht an wegfliegen zu denken ist, schließt sie die Seite wieder.

 

"Ich würde gern meine und unsere Zeit wieder mit wem teilen - es würde dann noch mehr Spaß machen.". Sie weiß, er hört zu und versucht an sich zu arbeiten. "Kannst du dich noch erinnern, als wir in Ägypten waren und beim Heimflug Benitas Koffer im Hotel geblieben ist, mit dem Taxi geholt werden musste, damit der Flug rechtzeitig starten konnte?", schmunzelt Lilly in Erinnerungen schwelgend happy vor sich dahin.

 

 

Beim Abflug war nicht nur der Koffer zu spät, so dass Lilly von den anderen hundert Passagieren schon wie ein bunter Hund angeguckt wurde, wie sie in pinkem Spagetti-Träger-Minikleid, High-Heels und ihren vier Kindern durch die Passkontrolle schlängelte, dann auch noch ihre Jüngere von einem 1,90 Meter großen, bewaffneten, afrikanischem Security am schmalen Oberarm festgehalten wurde und demonstrativ zum nächsten Mülleimer begleitet.

 

 

"Was war denn?", fragte Lilly mit ihrem Zweijährigen auf dem Arm. Die Reiseleiterin rannte hysterisch auf sie zu und machte Panik, dass es bei hohen Strafen nicht erlaubt sei, Korallen aus dem Land zu schmuggeln. "Schmuggeln? Im Spiel-Eimer?". Der uniformierte Mann brachte ihre Tochter wieder zurück und schob ruhig die Hektikerin zur Seite. Er hat schon erkannt, dass die Tat von Unwissenheit der Mutter geprägt war und nicht von böser Absicht. Später im Flugzeug hört sie die Älteste zur Jüngsten sagen: "Wenn du was mitnehmen willst, dann gib es einfach in deine Toilett-Tasche."