is was doc?

 

"Jaaa, ich war lange nicht da.", redet Lilly den mahnenden Worten ihres Dentisten zurück. "Das muss ja schon Jahre her sein. Gucken sie mal die beiden da vorne an.", raunzt er, versucht seine Unlust und Entsetzen in gefasste, höfliche Art zu verpacken. "Eins, Fünf, Sieben.". Während sie mit offenem Mund vor ihm liegt, schießt ihr ein innerer Kalender durch den Kopf: "Ja, gut. Wo er recht hat, hat er recht. Das war lang."

Sie denkt an April 2017, als sie eine Zahnzusatzversicherung abgeschlossen hat, um die Kosten für das anstehende Implantat abzudecken. Dafür musste dann zuerst mal ein Jahr eingezahlt werden. Dann gab es zwei Todesfälle hintereinander, einen, der ihr ein Auto verkauft hat, dass einen Motorschaden hatte, ein mehr oder weniger Ende der Fernbeziehung, ein Umzug, Corona und als die beiden Füllungen vorne zugleich herausbrachen, hieß es am Tonband der Praxis: "Wir sind in 3 Wochen wieder für sie da."

"Der Zahnarzt, der ihre Krone angefangen hat, ist inzwischen gar nicht mehr bei uns tätig.", kann er es nicht lassen, sie zu rügen. Sie darf den Mund ausspülen und entspannt ihr Kiefer. Er zückt die Spritze. "Wohin ist er denn?". Er setzt schmerzlos an und drückt die Flüssigkeit ins Zahnfleisch. "In die Praxis seines Vaters. So, nun warten wir."

Lilly atmet tief durch, als er das Behandlungszimmer verlässt. Sie hatte so oft einen Termin vereinbart, doch immer kam etwas dazwischen. "Es waren doch nur 3 Jahre.", beruhigt sie sich und ist aber auch ein wenig froh über seine Sorge. "Besser, als jemandem völlig am Latz vorbeizugehen."

Sie sitzt und sitzt und wartet, während sie überlegt, warum Weisheitszähne überhaupt entfernt werden und der ganze Zahnkram soviel Geld kostet. Andererseits, so wie sie es vor dem Praxisurlaub hatte, will sie es auch nicht mehr erleben müssen - höllischer Zahnschmerz bis zu den Augenhöhlen und Ohren und zwar von beiden unteren Eckzähnen ausgehend.

Sie wusste nicht mehr, wie sie beißen, trinken oder Zähne putzen sollte, denn das Innere der Zähne, oder was noch davon übrig war, lag sozusagen offen im Mund und alles andere als körperwarmes, weiches Zahnfleisch, Zunge oder Speichel löste reißende Schmerzen aus. Dieses intensivste Leid über zwei Tage und Nächte ließ sie sogar andere Praxen durchtelefonieren, ob sie jemand dran nehmen könnte, doch keiner hatte Zeit, weil nach Corona alle zum Arzt liefen und die Inselgäste im Urlaub hier die Zähne machen ließen.

Zum ersten Mal in ihrem Leben, nachdem ihr die Wange dick und taub geworden war, weil sie mit einer Nelke im Mund eingeschlafen ist, die scheinbar über ein wenig mehr an ätherischem Öl und Wirkung verfügte, aber der Zahn trotzdem schmerzte, während seine Wurzeln einer nach der anderen abstarben, suchte sie hilflos in der Urlaubsapotheke nach einer der schmerzstillenden Tabletten und fand eine. Die half. Für wenige Stunden. "Das haben sie doch schon länger so.", rügt er sie wieder. "Nein, die brachen vor ihrem Urlaub raus. Es lag an ihnen!"