WINTER-MOOD

 

 

 

Der Regen prasselt wie wild und als gäbe es kein Morgen an die große Fensterscheibe, die schon seit Tagen vom Inselstaub und allen anderen Sünden reingewaschen sind. Der Blick zum Himmel über dem Meer ist verhangen mit hellgrauen Regenwolken und weit und breit keine Möwen zu sehen.

 

 

"Wo sind die eigentlich so einem Wetter?" sinniert Lilly gedankenverloren darüber nach, ob Möwen auch Nester bauen oder unter Dachbalken nisten. "In Bäumen hab ich jedenfalls noch nie eine Möwe sitzen sehen." Plötzlich klopft es an der Wohnungstür. "Hmm. Um die Uhrzeit?". Es ist Dienstag Nachmittag, alle sind zuhause, Nachbarin auf Urlaub, Pakete kommen erst Samstag.

 

 

Lilly springt voller Neugier, wer sich ganz nach oben verirrt hat in ihre Etage, um die Ecke zu Tür. Jetzt fällt ihr erst auf, dass sie hier abgesichert lebt, wie ein Burgfräulein mit drei Falltüren und Burggraben. "Hallo, ich bin die Freundin deiner Nachbarin und wollte fragen, ob du nächste Woche, für sie auch die Rauchmelder-Kontrollen abchecken kannst. Hier ist der Schlüssel, das ist meine Telefonnumer." platzt sie Lilly direkt so hin.

 

 

"Ja. Mach ich. Wann soll das genau sein?", will sie noch dazu notieren. "Hast du nichts bekommen?". "Nein, aber du sagst mir das sicher gleich.". Witzigerweise fällt dieses zweistündige Zeitfenster in zehn Tagen exakt auf einen Arzt-Termin. Vorher und nachher jeweils zehn Tage nichts zu tun, auch vormittag oder danach: Nichts!. "Sachen gibts." schmunzelt Lilly, behält es aber für sich. Die Freundin der Nachbarin, gießt die Pflanzen und leert deren Postkasten. Lilly schmeißt die Tür zu, der Regen prasselt wieder von neuem heftigst an die West-Fenster.

 

 

"Was für ein Leben." lobt sie ihre Wahl auf die Insel zu ziehen, obwohl es früher auch nicht anders war, nur mit dem feinen Unterschied, dass sie in ihrem Eck-Reihenhaus mit Tonnendach - das war sehr exotisch damals - elektronische, einbruchsichere Rolläden hatte, die sie jede Nacht runterließ, da hinter ihrem Haus mehrere Felder und nur einzeln verstreute Bauernhöfe lagen. Gerade in der Peripherie konnte man nicht sicher genug gehen, trotz zweier Hunde, die vielleicht kläffen, wenn sich jemand ins Haus schleichen sollte. An der anderen Seite der Stadt hatte es eine der vielen Cousinen auch nicht leicht.

 

 

Ungewöhnlicherweise war sie an einem Vormittag zuhause, als jemand zur Haustür schlich und probierte diese zu öffnen. Sie ging zur Tür und schaute nach, was das für ein Kratzen war. Vor ihr stand eine in Lumpen gekleidete Frau, die sie wie von allen guten Geistern verlassen, anstarrte, bevor sie laut anfing zu schreien: "Feeeueer! Feeueer!"

 

 

Lillys Cousine, eine zierliche junge Frau, war so erschrocken, dass sie in ihrer ersten Reaktion eine Schublade aufzog und ein Feuerzeug rausholte. Dies warf sie der fremden Frau entgegen. Die lief weg - zur Straße, wo ein altes Auto zuerst wartete, aber dann schon ohne die Einbrecherin losgefahren war. Das laute Schreien war wohl die Warnung an die Mittäter.