FIRST MEETING

 

 

 

Lilly sieht ihn zum ersten Mal am heißen, sommerlichen Strand - wo sonst - direkt an den Dünen, unter einem hölzernen Treppenaufgang. Es ist der einzige Schattenplatz weit und breit. Das muss man Sylt lassen, der 38 Kilometer lange paradiesische Sandstrand bietet nur sehr wenig Schutz vor Sonne. Er ist ihr aufgefallen, aber sie wusste erst lange nachher, dass ER es dort war.

 

 

Gleich zwei Wochen nach der Ankunft, als sie noch im Auto schläft, was übrigens die schönste Zeit war, sah sie den Mann, der sie ihren ersten vergessen lassen wird soll. Es hängt irgendwie eine Ahnung, vielleicht eine Erinnerung an die Zukunft bereits in der Luft, transparent und unsichtbar, aber auch eine Unerreichbarkeit.

 

 

Das zweite Mal, als er ihr auffiel, ist in Westerland, direkt an der Promenade. Er sitzt mit einem Buch oder einer Zeitung in einem Strandkorb in der Sonne. Lilly lag auf einem Badetuch nur ein paar Meter vor ihm. Sie fragt sich, warum er sie nicht anspricht. Sie ist noch nichts, ein unbeschriebenes Blatt ohne Ausstrahlung, wie ein Geist, ohne Prägungen und Inhalt, neu aufgesetzt, mit zuerst zerstörten, dann wieder frisch nachgewachsenen elektronischen Schaltungen - frisch aus der Reha. 

 

 

Das dritte Mal war dann einiges aufregender: in einem Teeladen mit seinem Sohn. Lilly schenkt Tee ein und berät drei andere Kunden, ihn auch. Sie verwickeln sich in ein Gespräch, mehr einen Flirt. Die Kollegin schmunzelt schon, aber es nimmt kein Ende. Als sie sich endlich verbal losreißen von einander - auch nur, weil sich der süße, kleine Junge einmischt, läuft er extra nochmal zurück, ihr seine Telefonnummer zu überreichen, weil er unter ihrer niemand erreichen konnte. 

 

Donnerstag, 30. Oktober: "Hallo Lilly. Du hast mir vorhin Tee verkauft. Über Whats App konnte ich dich leider nicht anschreiben... Freu mich, Dich kennenzulernen.... Vielleicht meldest du dich nachher noch... LG Mike.".  Sie schreibt zurück: "Ja, vielleicht." und lässt ihr Handy in der Jackentasche  verschwinden. Noch nie hat Lilly ein Mann so gefangen genommen, wie er. "Etwas kopflastig, aber gut drauf.".  Sie sucht gerade einen Begleiter für den nächsten Abend und am liebsten, wär ihr gewesen, er hätte sie gleich über die Schwelle in die Sonne raus getragen.

 

 

20:20: "Hallo Lilly. Hier ist Mike. Wir haben uns vorhin bei Tee kennengelernt." fetzt seine Energy durchs Handy. Sie mag seine Art, seine Power, das deutsche Hartnäckige an ihm. Ihr Rücken schmerzt, an solche Art von Arbeit ist sie nicht gewöhnt. "Hallo.", schreibt sie tapfer. "Komm her, mach was mit meinem Rücken", denkt sie. "Hi. Schöne Österreicherin.".

 

"Und selbst? Deutscher? Aber nicht ansässig auf der Insel, oder?", wünscht sich, dass er ihr widerspricht. "Ich komm aus Hannover. Möchtest du jemand von der Insel? Kennenlernen?", weicht er diesem Matchball mit Tempo und Diplomatie aus, verrät aber leider gleichzeitig viel über seine Ambitionen.