endlich wieder betriebsamkeit

 

 

 

Lilly weiß, was es heißt eine Schmuckauslage mit tausenden kleinen Schmuckstücken inklusive Preisschildern sauber und aktuell zu halten und das 50 Meter vom Strand entfernt, wo das Salzwasser die Fenster beschlägt und der Wind den Straßenstaub im Nu bis in die letzte Präsentations-Ecke weht, um den Passanten tagsüber, aber auch den nächtlichen Spaziergängern eine ansehnliche und verlockende Ansicht zu bieten.

 

 

Heute hat sie gehört, wie sich ein Fashion-Label-Laden-Chef um 17 Uhr bei seinen MitarbeiterInnen für das Engagement bedankt hat - vielleicht auch eine Nebenwirkung: mehr Wertschätzung. Obwohl man sich an die Masken gewöhnt und es schon fehlt, wenn sich kein Gummi mehr um die Hörorgane schlingt und man sich trotzdem im Baumarkt an der Statur und Stirnform - oder Aura - erkennt, hat es noch nichts mit Normalzustand zu tun, weil der Spaß und die sylttypischen, lachenden Gesichter fehlen.

 

 

Es ist leicht, auf einer Insel zu leben und sich gemütsmäßig in der Begeisterung der Touris zu baden, während es für einem selbst zum Alltag wurde, mit der Natur Seite an Seite zu leben. Umso mehr fallen kleine Veränderungen auf beim Spaziergang am Meer, zB. wurde eine der nicht so ansehnlichen Klinkermauern an der Promenade durch modernes Glas ersetzt und die Nordsee ans Ufer holt.

 

 

Der Nachbar hat Bedenken, weil die salzige Luft die klare Durchsicht schnell milchig werden lassen wird, aber es kann auch sein, dass etwas Neues erfunden wurde - man weiß nie. Genau wie bei diesem Küchenfenster mit westlicher Ausrichtung, an dem sich Lilly ein Sonnenplätzchen eingerichtet hat. "Es hält sich schon sehr lange sauber, habe es aber extra doppelt poliert."

 

 

Sie beschließt die Fenster weniger oft, dafür intensiver sauber zu halten, weil sie die Idee von einer Art Schutzfilm vor Augen hat, an dem die Staubkörnchen gleich gar nicht haften können, sondern abrutschen. "Wenn es so etwas jetzt auch für die Virusbällchen gäbe..."

 

 

Die Läden in den Straßen in Westerland haben ihre Türen wieder geöffnet, auch auf dem Pflaster der Friedrich-, Strand- und Paulstraße hört man wieder mehr Menschen und Kinder klackern und die Schaufensterpuppen tragen den Style des kommenden Sommers und gucken freundlich aus den Glasfronten.

 

 

"Na, werdet ihr gut behandelt?", spricht sie mit den unverhüllten Puppengesichtern, während sie ans Fenster klopft, weil man sich endlich wiedersieht. Die immer freundliche Verkäuferin winkt raus und kommt an die Tür - mit einer Kostprobe der selbstgemachten Schokolade in der Hand. "Hmmm… das ist die beste. Mit Meersalz ist auch lecker.". Lilly schwebt im siebten Himmel und ihr fällt ein, wie gern sie nicht nur Sylter Schokolade hatte, sondern auch in den Bücher- und Zeitschriften-Regalen gestöbert und Düfte getestet hat. "Das müssen wir alles erst wieder lernen.", stellt sie fest, dass sich Verbindungen und Genuss abtrainieren hat lassen, aber genauso werden wir ihn auch wieder antrainieren. "Die nehm ich.". Sie gönnt sich was.