Beim Ausfüllen des Dauerauftrages zur Rückzahlung eines zinsenfreien Darlehens fällt ihr auf, dass in seiner Kontonummer ihr Geburtstagsdatum enthalten ist und findet die Tatsache sehr amüsant. "Weiter geht's!". Lilly sucht nach einem anderen Job. "Verkauf, Gastronomie, Hotel... - gibt's hier nichts anderes zu tun auf der Insel?". Sie schlägt die großformatige, rote Wochenzeitung zu und wirft sie in Unordnung gebracht, wie es sich für ein Newspaper gehört, auf die beiden blauen.
Jetzt, wo Lilly Mike einen Schlüssel überlassen hat, fühlt sie sich ständig mit ihm verbunden. Irgendwie ist es auch nicht so optimal. Er hängt in der Vergangenheit fest. "Er flieht von der einen Situation in die andere, statt sich einfach zu trennen.", seufzt sie tief durch und nimmt sich vor, am ersten Moment festzuhalten. Sie ist über ein Schild mit einem Stellenangebot gefallen - zufällig im Vorbeigehen - hat sich spontan beworben und wurde gleich eingestellt.
Am ersten Tag hinter einem Tresen, der zu eng und klein ist für sie, aber der Duft der frischgebackenen Brötchen verzaubert und der tischgroßen Flat an der Wand im Gastrobereich unterhält, steht plötzlich die Klassenlehrerin ihres Sohnes vor ihr. "Hallo. Wie geht's?", sie stellt ihr heiße, weiße Schokolade in einem Pappbecher hin und legt eine kleine Serviette dazu, weil der Trunk megahot ist. "Wenn sie hier sind und ich hier bin - wo ist dann mein Sohn?", fragt sie die junge Frau interessiert.
Der Zehnjährige fährt jeden Tag mit dem Bus von Westerland nach Kampen, um sich dort in einer alleinliegenden Grundschule neben dem Leuchtturm dem Lernprogramm hinzugeben. Da schon die Lister Schule aufgelassen wurde und die Inselbewohner sehr an ihrer Kampen-Schule festhalten, zeigt sich der Fischkönig Gosch großzügig, sponsert die Nördlichste Schule Deutschlands.
Als sie ihn anfangs noch morgens hinbrachte, kam sie nie an dem aufgeschlagenen Sprüche-Buch auf einem Bartisch links am Eingang vorbei, ohne sich den Zweizeiler ins Gemüt zu führen und im Klassenzimmer war ein Bild von einem Tiger zur Begrüßung, der die Kinder noch stärker machen soll.
Als Lilly dann die Einladung zum Weihnachts-Stück sah, welches im Kampen-Hüs aufgeführt wurde, kam sie aus dem Staunen nicht mehr raus. "Du spielst einen Engel? Super.", lobt sie ihren Zögling. Kampen ist der Ort, der um das Rote Kliff liegt mit dem schönsten Naturereignis auf der Insel: dem rostbraunen Kliff, welches in der warmen Abendsonne zu brennen scheint - mit weißem Sandstrand davor.
Ihr hübscher Zehnjähriger hat einen irre langen Sprechtext, überhaupt war es ein Epos an Inszenierung. Sie ist so unglaublich stolz auf ihren Sohn und wie er das alles meistert. Nach den ersten 30 Minuten wurden manche Eltern unruhig - mit der Ausdauer der Kinder und solch einer Darbietung hat keiner gerechnet. Doch auch die Eltern auf den Stehplätzen halten bis zum Ende durch - totale Rührung inklusive. "Was für eine wunderbare Weihnachtsstimmung."