merci

 

Die Vorderreifen des Wagens waren so schnell ausgewechselt, dass Lilly noch nicht mal beim EC-Gerät war, um Geld zu beheben. "Ob man bei dort schon mit Karte zahlen kann?", fragt sie sich, als sie ihr weißes Rad auf den Bordstein des Gehwegs vorm Geldausgabegerät hebt und an die Wand lehnt, natürlich ohne dunkelgraue Fahrer vom Griff der Balance auf der schneeweißen Fassade zu hinterlassen.

Zumindest in dieser Schein-Automat ein bisschen schneller, als der im Foyers des Nahversorgers. Wenn man dort wartet, kann man inzwischen Brötchen bei der Bäckerei daneben einkaufen. Es ist, als würde jemand hinter einem Bildschirm über dem mit einer Kamera live übertragen wird, sitzen und die Ausgabe-Luke des stählernen Gerätes steuern und so die Geduld der Menschen testet.

Jedenfalls hat sie nun ihre fünf Fünfziger-Scheine und macht sich rasch auf den Weg zur professionellen Garage. "Schön, dich wieder zu sehen. Gut siehst du aus.", ruft sie ihrem Fahrzeug entgegen. "Die neuen Reifen stehen dir.". Sie ist glücklich und überlegt, ob sie etwas Süßes mitbringen hätte sollen. Auch hier ist der Chef eine Naschkatze.

Er hat einen roten Smart auf seiner Hebebühne, dessen schmale, kleine Reifen das Automobil wie Spielzeug aussehen lassen, obwohl diese Mini-Flitzer für die Insel die beste Wahl sind, aufgrund der Wenigkeit und knappen Parkflächen. Vor allem die Cabrio-Version ist ein Genuss im Sommer. Er bemerkt sie, aber lässt sich Zeit. "Verständlich", wer schmeißt schon gleich den Schraubenzieher in die Ecke, wenn man gerade ein Projekt begonnen hat.

"Merci, das war so schnell erledigt, unglaublich.", bedankt sie sich nochmal, obwohl ihr die Freiheit beim Radfahren wahnsinnig gut gefällt - am besten Vollgas im höchsten Gang und dann aufrecht die Hände zur Seite und den Wind im Haar und Sonne im Gesicht genießen auf der langen Geraden von Tinnum bis Westerland, wo es sogar einen offiziellen Radweg gibt und man sich nicht mit den Fußgängern um den Gehweg oder mit den Autofahrer um den schnellen Asphalt streiten muss.

Sie ist gerade mindestens so glücklich beim Radfahren und mit dem ausgezeichneten Wetter, wie ihr Sohn über die Überraschung, die ihn zum Schulbeginn mitgeteilt wurde und sein Herz befreit von einer vierjährigen Qual, die den Schulalltag zu einem Hindernislauf machte, nämlich, dass schon dieses Jahr der Französisch-Unterricht wegfällt und es bis zum Abitur nun mit Spanisch weitergeht. "Was für ein Traum. Endlich frei."

"Und nun?", Lilly muss anhalten weil sich die Kreuzung ganz knapp nicht auf Grün umschaltet. "Was macht man nun mit dieser neuen Freiheit?". Auf jeden Fall wird sie ihre nächsten freien Samstage nutzen, um an einer der Demos körperlich und nicht nur im Geist teilzunehmen. Erstens, es reicht mit Virus und zweitens, die Regierungsperioden einer Führungsspitze müssen auf zwei begrenzt werden. "Ich wünsch mir einen toughen Mann an der Macht, wenn ich mich hier einbürgern lasse.". Es wird Grün. Freie Fahrt.