KÜSTENNEBEL

 

 

 

1. November, Allerheiligen steht am Kalender. Als wüsste dies das Wetter, legt es ordentlich vor. Es zeigt sich Nebel dicht über dem Wasser der Nordsee, der näher kommt und dichter wird. Lilly steht mit den Füßen genauso im Meer, dass die Wellen ihre Zehenspitzen erreichen und nicht mal einen Meter vor ihr liegt eine undurchschaubare Wand aus Nebel - soweit das Auge reicht, sowohl nach Norden, als auch Süden, den ganzen langen Sandstrand entlang.

 

 

Als wäre es nicht verwirrend für Sinne genug, die Wellen unter dieser weißen Wand sich bewegen zu sehen, überlegt Lilly, ob dies wohl dann der richtige Zeitpunkt für Seeräuber war, ein Land über den Seeweg anzugreifen. "Also, ich sehe hier keinen Meter vor mir, was passiert."

 

 

Ihr Sohn hat schon das Weite gesucht, weil ihm das Setting nicht geheuer ist. "Da könnte ohne weiters gleich so ein Fluch-der-Karibik-Pirat rausspringen!", ruft sie noch in seine Richtung, weil ihn laufen zu sehen einfach Spaß macht. Das gibt es ja nicht so oft.

 

 

"Über genau diese Nordsee hat sich die Besatzung eines dänisches Kaperschiff 1809 gerettet auf Sylt ans Festland gerettet. Einer der Seefahrer, der Norweger Peter Nicolai Lassen, verliebte sich in eine junge Sylterin Merret Claasen. Er versprach ihr, in einem Jahr wieder zu kommen. Tatsächlich war das dann auch so. Aus ihrer Liebesverbindung gingen sehr zahlreiche Kinder hervor, nämlich 14 Söhne und 7 Töchter und sind die Urahnen vieler Inselbewohner und mit 90 Enkelkindern weit über die Welt verstreut.

 

 

Als der dänische König zu Besuch kam, wollte er diese tüchtige Friesenfrau treffen, sie richtete aber aus, sie hätte keine Zeit. Deshalb lies er sich zu ihr kutschieren. Sie trat zu ihm in den Raum und sagte: "Ihr wollt mich sehen? So sehe ich von vorne aus und so von hinten.", machte ihren Knicks und ging wieder an die Arbeit, was der König dann auch amüsant fand und bestätigt sah, dass es sich um eine sehr fleißige Person handeln musste."

 

 

Lilly wird kalt an den Füßen und sie verlässt diese verzaubernde, magische Szenerie. Auch von der Promenade aus, sieht der See-Nebel gespenstisch aus - aber weit und breit kein Piratenschiff zu erkennen. Sie kann beruhigt zum Schach schlendern, wo ihr Sohn sich gerne aufhält. Im Sommer trifft er an der vielleicht wieder den Jugend-Weltmeister, der hier die Ferien verbringt. Dann kann sich keiner von den schwarz-weißen Quadraten freiwillig trennen. 

 

 

Küstennebel und Friesengeist (reiner Kornschnaps) gibt es übrigens auch in hochprozentiger, flüssiger Form. Küstennebel schmeckt nach Anis - bisschen, wie griechischer Ouzo, und Friesengeist wird üblicherweise angezunden und dazu ein Reim aufgesagt/gesungen ("Wie Irrlicht im Moor, flackerts empor, lösch aus, trink aus, genieße leise auf echte Friesenweise, den Friesen zur Ehr vom Friesengeist mehr.") vorm Austrinken. Für Anfänger: nicht den Trinkhalm aus dem Glas nehmen - er brennt weiter und das flüssige, superheiße Plastik tropft auf die Innenseite der Hand. HOT!