zocken auf den winstons

 

 

 

So ein Glück, dass sie ihr Sohn zu diesem Musikanbieter-Family-Abo überredet hat, denn jegliche Werbeeinspielungen stehen ihr nach wochenlangem 24-Stunden-Radio-Marathon bis zu den Augenbrauen. Schön langsam beginnt er auch ihre zwei Dutzend Fashion- und Gossip-Magazine auf einen Stapel zu ordnen, nicht ohne ihre emotionalen Reaktionen im Auge zu behalten, die momentan am Ende der Transformation stecken, nicht unwesentlich mit seiner Pubertät zusammenhängen, aber temporär natürlich von der aktuellen Isolations- und akuten Isolations-Entspannungs-Situation zusammenhängen.

 

 

Er will Platz ist für Kartenspiele schaffen, was früher Gang und Gäbe war, doch durch seine täglichen Ausflüge und der Möglichkeit, er könnte ein Virenträger sein, auf dem Spaß-Abstellgleis auf ihren Einsatz warten. Sie freut sich, dass er aktiv wird und in der Nähe ist und lächelt ihn an, bis... "Siehst du nicht, was da draufsteht?". "Romme und Pokerset?". "Nein. Hier."

 

 

Lilly streift mit ihrem Zeigefinger über den grünen Titel eines der Magazine: "F r e u n d i n!". Sie schiebt die Hefte wieder nebeneinander und lächelt dabei, weil die auch alle lächeln, außer das schwarze Model auf dem Hochglanzmagazin. Sie dreht es um. "Na, geht doch.". Er schmunzelt und zieht die Augenbrauen hoch, aber nur wenig - tut kurz so, als würde er die Karten ordnen, beobachtet aber, ob der Irrsinn weitergeht und wie.

 

 

"Na, ihr dürft noch lächeln und die Zähne zeigen.", freut sie sich über nicht durch Masken zensurierte, menschliche Gesichter und strahlt, weil die Schlagzeilen und Headlines zu ihr sprechen. Offen, wie nie. Das mach ich jetzt so! Love&Hope. Alles auf Neu! Glück, hier bin ich! Best Body ever. Ich kann das! Der Blick nach Vorn. Jetzt bin ich dran! Dieses Monat herrscht eine fast harmonische Einigkeit. Comeback mit Hindernissen muss weg. "Du Störenfried!"

 

 

"Meinst du mich?". "Nein, natürlich nicht. Helene. Wie siehts aus? Wir können auch AUF denen spielen.". Sie schreibt 25 Euro neben die Namen. "Fünf Spiele, auf Punkte.". Er lächelt, weil auch sein Micro-Job ausgefallen ist, aufreibende monetäre Ebbe herrscht in den Hosentaschen der hellblauen Jeans. Er teilt auf Lillys flachen, bunten ´Winstons´ aus.

 

 

Sie legt ihre 40 runter auf Jennifer Anistons rosefarbenes Minikleid, damit sie sich die Ass, die er - warum auch immer, wahrscheinlich isolationsbedingte Irre - ablegt, aus dem Talon fischen kann. "Hey, ich hab dich doch gerade gefragt, mit wieviel man runtergeht.", beanstandet er ihren Zug. Lilly spielt weiter, zählt ihre Pluspunkte, es sieht gut aus für sie, legt ihre "Brauch-ich-nicht"-Karte weg. "Ach so. Ja. Und was hab ich gesagt?"

 

 

"Du wirst doch wissen, was du gesagt hast?". "Das ist mindestens zwei Minuten her!". Er wirft aufgrund ihrer unheimlichen, mentalen Veränderung in Richtung des "Die Kunst ein Egoist zu sein"-Tunnels in den vergangenen Einsiedlerwochen, sein Pack Karten auf den Tisch: "So kann ich nicht spielen!". Er lacht. Noch.