termine

 

"Was ist das für ein eigenartiger Klingelton?", fragt Lilly, als es anders läutet, als sonst. "Ist wohl an der Wohnungstür.". Sie erschrickt, als direkt ein Mann in Jacke und mit einem langen Stab vor ihr steht. Er ist schon mehr bei der Tür drinnen, als ihr lieb ist. "Hallo?", grüßt sie fragend. "Rauchmelder-Test.", entgegnet er kurz und bündig mit einer kratzigen Stimme, die auf hohen Nikotinkonsum hinweist, aber deswegen wahrscheinlich schon wieder etwas Romantisches hat.
Sie stellt sich den Friesen im besten Alter gerade vor, wie er gemütlich eine Pause am Meer macht und mit einer Zigarillo am Steg sitzt für ein paar chillige Minuten. Er tritt ein, nachdem er sich an den Ikea-Kartons vorbeigekämpft hat und über die vollgepackte Papiermüll-Tüte steigt, die sie noch nicht zur Entsorgung gebracht hat.
"Komm rein, den Schlüssel von meiner Nachbarin hab ich auch hier.", überspielt Lilly die Peinlichkeit mit dem vollgestellten Eingangsbereich, was ein wenig so aussieht, als hätte sie das speziell für diesen Termin so aufgebaut. "Bestens. Dann haben wir das ja gleich erledigt.". Er stapft durch die Wohnung und testet in jedem Raum die Rauchmelder an der Decke. Sie bestehen alle den Test mit mechanischem Sirenengeschrei.
Jedes Mal, bevor er sie wieder ausstellt, hält er kurz inne, lacht Lilly an. "Im Bad nicht?", fragt sie neugierig. "Nee, da haben wir nichts drinnen.", während er trotzdem kurz einen Blick hinein wirft. In der Küche sagt er Hallo zu Sam, der gerade Trüffel-Salami vernascht. Er hat heute auch Termine. Einer davon ist beim Lungenfacharzt, der ihm vielleicht helfen kann, seine Tierhaar-Allergie zu überwinden. Lilly guckt schon länger nach einem Labradoodle, der wohl - wie sie inzwischen schmerzlich herausgefunden hat - zu den teuersten Rassehunden gehört.
Sie hätte sowieso lieber einen Golden Retriever aus der idyllischen Zucht in einem italienischen Bergdorf mitten in den Südtiroler Alpen, wo sie sicher sein kann, dass der Hund dann Familiensinn und Gehirn mitbringt. Sie beneidet ihren Bekannten, der schon seit Jahren solch einen treuen Gefährten in sein schickes, neugebautes Haus auf einer Alm geholt hat.
Rasch greift sie nach dem Schlüssel der Nachbarwohnung, sperrt die Tür gegenüber auf, über deren Schwelle sie bisher noch nicht gekommen ist, obwohl sie die alleinstehende Nachbarin nett findet - kleiner Schnack im Treppenhaus kann auch unterhaltend sein. Er kommt mit seinem Mess-Stab: "Na, dann schauen wir mal.". Beide haben sie den Blick an die Decke gerichtet, um die Rauchmelder zu finden und treten langsam durch den dunklen Vorraum.
Als sie dann nebeneinander im hellen Wohnzimmer mit Fenstern von zwei Seiten sind und durch den Raum gucken, stehen sie direkt vor einem raumhohen schwarzen Gestänge, an dem eine grüne Stoffschaukel hängt. Das unterdrückte Lachen ist weit zu hören. "Na, wer es braucht...", kommentiert er den komischen Moment, bevor die Wohnungstür hinter ihnen ins Schloss fällt.