UNTER MIR WOHNT DSCHINGIS KHAN

 

 

 

Er hat Besuch und es wird gefeiert, was Lilly nicht weiß, von unten sieht man ein wenig in die Wohnung rein. Sie dreht ihr Radio leiser, denn er hat meistens Moby, Kalkbrenner und Faithless laufen, gemischt mit ein paar älteren Klassikern. "Schön, wenn wir den gleichen Musikgeschmack haben.". Sie guckt trotzdem kurz raus und sieht zwei braungebrannte Männer. "Sag bloß, ihr wart heute schon schwimmen?". "Ja, was denkst du denn? Es ist Ende April! Komm doch runter!". "Wir haben Kontaktsperre - immer noch!"

 

 

Er holt einen Hocker, reicht ihr eine Flasche Wein rauf und ein Glas von seiner Oma, dass er wiederhaben will. Nun sitzt sie hinter dem weißen, französischen Gitter und liest in dem Buch, dass er ihr raufgereicht hat, in dem er abgebildet ist mit einem Hummer in der Hand und einem Piraten-Bandana am Kopf. Und noch ein Magazin in dem seine weiße Sonderanfertigung einer Harley abgebildet ist.

 

 

Sie erzählen sich von dem Spaß, den es in der Gastronomie zu erleben gibt und da die ganze Gegend in den Hinterhöfen mithören kann, trippelt sie doch noch die Treppen runter. "Du siehst aus wie eine Mischung aus Pirat und Dschingis Khan. Woher kommst du eigentlich?", fragt Lilly neugierig. Er legt die Machete weg, mit der er die Hummerbeine aufschlägt. "Aus der Zukunft!", ruft er aus der Küche zu ihr, die nun mit seinem Besucher hier auf Sylt auf der typischen, klinkergemauerten New Yorker Terrasse steht und auf die Drinks wartet.

 

 

Er macht Feuer direkt am Sims mit Grillanzünder oder sonst irgendeinem Benzin. Es flammt rund um uns. Der Film-Effekt wirkt. Ein bisschen Las-Vegas-Magic in unserer kleinen Ecke hier in Westerland in der weiten Schlucht zwischen den Dächern. "Und wenn das runtertropft?".

 

 

Lilly guckt nach unten auf den Pausenhof von Douglas mit den ganzen Schildern und Aufstellern aus farbig lackiertem Karton mit Julia Robert in einem pinken Tüllkleid drauf. "Tut es nicht. Ich wohne seit den 80ern hier.". "Ah, deshalb kennst du alle Möwen hier persönlich.", lacht sie, während sie den extrem hellen Stern am Frühlingshimmel bewundert - angeblich die Venus.

 

 

Er kennt die Original-Geschichten, des Sylts-Flair als Party-Insel. Zum Beispiel, wie Goschs-Fischsuppe entstand oder dieser einmal mit seinem Sack voller Geld auf der Bordsteinkante eingeschlafen ist oder in die Geldtasche im Auto einen stinkenden Fisch oben drauf gelegt hat, damit seine Frau nicht in die Tasche schaut, dieser aber dann selbst ihm zu viel Geruch entwickelt hat und er ihn während der Fahrt aus dem Fenster warf mitsamt der Plastiktüte mit Geld, die dann am nächsten Tag im Gebüsch hing und gefunden wurde.

 

Aufgrund der eingehängten Klimmzugstange gibt es keine Tür in der Toilette, weshalb sich verabschieden muss, obwohl die Schlucke vom süßen Auslese-Wein sehr gut schmeckten am trockenen Gaumen. Eigentlich sollte es ja eine Corona-Party werden, aber er hatte genau eine Flasche im Kühlschrank, aber stilecht mit Limette drauf, wenn schon, denn schon.