VIENNA-CALLING

 

 

 

Wien, Wien, Wien - nur du mein Wien.... tönt es schon zum Frühstück aus dem Jugend-Zimmer, wo ein Pubertierender auf dem Sprung zum Erwachsenwerden sich um jeden Preis dagegen sträubt, sich an Vereinbarungen zwischen seiner Mutter, also auch Erziehungsberechtigten, und ihm selber als Gymnasiast, der den Sprung in die 10. Klasse schaffen will, einzuhalten.

 

 

Im Speziellen handelt es sich um den Französisch-Unterricht, den er seit geschlagenen 4 Jahren besucht, ohne jemals eine Vokabel so richtig gepaukt zu haben. Wie er das geschafft hat bisher kann niemand so richtig nachvollziehen - nennen wir ihn mal einfach "Überlebenskünstler".

 

 

Es tönen Klänge aus der Musikbox aus einem Land, wo es die Note, die der Sohn momentan sein Eigen nennt, gar nicht existiert. "Wieso hörst du ständig die Musik eines Toten, statt Französischer Hörspiele oder einer Lern-CD?", interveniert Lilly nun schon mehrmals und lautstark, geplagt von der Vorstellung, ihr Sohn würde in die Realschule umsteigen müssen und die ganzen letzten fünf Jahre waren für die "Katz", während sie zu "Junge Römer" die Hüfte bewegt.

 

 

"Tja, der hatte schon gute Songs, aber trotzdem würde ich mir an deiner Stelle Tag und Nacht durch diese kabellosen Ohrstecker französische Chansons reinziehen, solange, bis die Sprache auf deiner Festplatte installiert ist.". Er weiß das auch selbst, ist aber verloren in der fixen Vorstellung, er sei Österreicher und muss sich das jetzt rund um die Uhr beweisen, indem Falko läuft in seinem Zimmer, in seinen Ohren, in seinem Leben hier auf Sylt.

 

 

Sie schiebt ihm eine Schüssel mit Pistazien hin. "Hier für das Aufbauen von Gigabyte. Sind gut fürs Gehirn. Vitamin Brain.". Kurz darauf steht die Schale wieder in der Küche, "Amadeus" dröhnt aus den heiligen Räumlichkeiten des Jugendzimmers. "Der Onkel deiner Schwester hat ihn gefilmt in der Dominikanischen Republik - beim Feiern bevor er verunglückte. Ein deutscher TV-Sender hat ihm damals für die paar Minuten viel Geld angeboten."

 

 

"Fliegen wir im Sommer über Wien, wenn wir unsere Verwandten besuchen?". Sie schüttelt den Kopf. "Das wäre zwar billiger und schneller als mit dem Auto, aber wir können rein gar nichts transportieren und sind unflexibel. Außerdem waren wir da schon hundert Mal.". "Aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern.". Lilly ist schockiert und versteht nun, warum die Königskinder ihre Kinderjahre in der Obhut von Nannys verbringen. "Na gut, dann einigen wir uns darauf, dass sie zwar mit dem Auto fahren, aber über Wien. Die 250 Kilometer sind dann auch schon egal."

 

 

Sie notiert dies in der Reiseplanung: Stephansdom, Stephansplatz, Fiaker fahren, Haas Haus, Essen im Do&Co, Schloss Belvedere, Schloss Schönbrunn, Zoo Schönbrunn, Prater, Hofburg, Spanische Hofreitschule, Peterskirche, Karlskirche, Rathaus, Staatsoper, Madame Tussauds, Hundertwasserhaus, Donauturm, Donaupark, Secession, Graben, Museen... "Da können wir gleich noch zwei Tage extra dranhängen."