CHEF DE COUSINE

 

 

 

Der eine schmeißt Gläser runter vor Aufregung, der andere muss in die Spüle, weil Lilly an seinem Platz steht - besonders beliebt ist sie gleich nicht mal bei jedem. Bei den meisten, die nun ankommen vor Bike und Ostern ist es bis Oktober am Plan, auf der Insel zu arbeiten. Ihr derzeitiger Arbeitgeber hat für seine hervorragende Unternehmenskultur schon Auszeichnungen verliehen bekommen. Es kann hier als Sprungbrett genutzt werden, Schnelllebigkeit, Flexibilität und Spontanität ist erwünscht, sogar gefordert von den Saisonkräften.

 

 

"50 Cent?". Sie muss zweimal hingucken, als vor ihr am beliebten Bartisch ein Typ Platz, der auf den ersten Blick wie ein Luxus-Rapper aus einem MTV-Video entsprungen, aussieht. Er stellt seine geheimnisvolle, schwarze Tasche auf den Hocker neben sich, setzt sich hin, wartet. Er hat ihre Aufmerksamkeit und sie seine. Er verhält sich unauffällig und ruhig. "Und? Was ist in deiner Tasche? Millionen?". Er lächelt und schüttelt den Kopf. "Willst du etwas trinken?". "Alles gut. Ich warte.".

 

Ein Gast mit sucht immer wieder Augenkontakt. Beim dritten Mal kommt er mit seinem großgewachsenen Sohn, den er ihr vorstellt. Sie weiß nicht genau, warum - manche verstehen ihre Freundlichkeit falsch. Er nennt sie niedlich - sie unterlässt es frech zu werden.

 

 

"Also den österreichischen Dialekt finde ich niedlich.", korrigiert er schnell seine Aussage, als die nicht so ankam, wie er sich das wünschte. Beim Weggehen schaut er durch die raumhohen Glasfenster nochmal rein. Sie findet ihn witzig, also das Deutsche an ihm, findet sie witzig.

 

 

Ein nettes, gesprächiges Paar aus Hannover zählt alle Dinge auf, die man besuchen kann, als sie daran zweifelt, ob dies eine aufregende Stadt sei. Von Pier 51, Champagner am Tretboot, Maschsee, und Freitag Mittag in die Markhalle zu Günters... Sie sitzen jeden Tag am gleichen Platz, wie die meisten Urlaubsgäste, die eine, zwei oder drei Wochen bleiben und bauen noch einen Taschenrechner für Friesen aus Zündholz-Schachteln.

 

 

Daneben sitzt Nikolai mit vernarbtem Gesicht, Grinsen, Brille, kleines Alster, 2 Austern, Espresso, und erklärt Lilly, als ihr die vielen Frauenpärchen auffallen, dass es in List spezielle Hotels für weibliche, gleichgeschlechtliche Pärchen gibt. Big Ben streift mit schnellem Schritt durchs Lokal, kontrolliert die Tische, bevor er hinter ihr stehenbleibt, von oben auf ihr blondes Haar bläst, was irgendwann zur Angewohnheit wird. Er will die anderen mit seiner Energy anstecken, weil er pünktlich nach Hause mag.

 

 

"Gibt's dich auch in schnell?", sein Standardspruch. "Letztes Jahr hat hier eine Schwangere gearbeitet, die war fixer als du.", legt er noch eins drauf. "Genau.". Sie lacht. "Soll ich dir ein Getränk einschenken?", hört sie eine fremde Stimme. Sie dreht sich um. "Hey, was machst du hier hinten?", guckt sie überrascht auf 50Cent, der plötzlich die schicke, weiße Koch-Dress anhat. "Ich bleib jetzt mal eine Zeit hier.", freut er sich.