VERNUNFT SIEGT

 

 

 

Sylt, Freitag, der 13. März 2020, Im Angesicht der Virus-Epidemie: Die Kinder haben nun fünf Wochen frei - wo fährt das Festland hin? Auf die Insel Sylt und wollen sich eine schöne Zeit machen. Doch bedenken die Touristen nicht, dass sie hierher vielleicht die eine oder andere Virus-Infektion mitbringen und sich dieser dann hier verbreitet, bis wir alle dran glauben müssen. Bisher gibt es nur einen einzelnen Virus-Verdacht und der ist schon in einer Klinik auf Station.

 

 

Endlich, wieder Mal viel zu spät, kommt ein Bürgermeister drauf, dass dies nicht von Vorteil ist und sperrt für Touristen die Zufahrtswege. Dänemark beginnt zuerst mit der Grenzsperre. Österreich folgt, Deutschland zieht nach. Schleswig-Holstein sperrt ab - gut so, denn die Bauern hier müssen ja das Land versorgen mit ihren frischen Produkten. Da kann man auch keine Virus-Epidemie gebrauchen.

 

 

Ohne Internet wäre dies nun alles überhaupt nicht denkbar. Fitnesscenter, Schulen, Sporthallen, Kino und sonstige Ablenkungsinstitutionen sind logischerweise geschlossen. Jetzt hat jeder mal Zeit, sich zu besinnen, Ordnung zu schaffen, neue Rezepte auszuprobieren, auszumisten, den Konsum zu beobachten, seine alltägliche Müllproduktion zu überdenken. Radio und Television versorgen die Einwohner mit nützlichen Informationen zum aktuellen Stand der Virus-Verbreitung. Nach dem ersten Todesfall in Schleswig-Holstein ist einem auch der Ernst der Sache endlich bewusst.

 

 

Zum Glück haben wir Netzwerke, Bücher, Magazine, Gärten, Keller, Dachböden, die man mit Beachtung erfreuen kann. Endlich Zeit und Gelegenheit, um herumstehende Dinge, die absolut nie im Gebrauch sind, auf Internet-Flohmärkten anzubieten. Die Nachbarin wandert mit ihrem Koffer zum Hof-Ausgang. Sie wird wohl ihre Familie besuchen, ganz allein in der Wohnung ist es wahrscheinlich nicht so lustig und wenn man schon frei hat, warum nicht mit Nützlichem verbinden.

 

 

Trotz der unbedingten Empfehlung zu Hause zu bleiben und soziale Kontakte zu vermeiden, glauben die Jungs, sie müssen schulfrei am Strand feiern. Der sonst so penible Sohn entschließt sich dazu, an diesem Abend ein Mädchen mitzubringen, die richtig verärgert lauthals rauskomplimentiert wird. Von Vorteil ist es bestimmt auch, die Lebensversicherung auf Laufzeit zu kontrollieren und den Begünstigten die Vertragsnummer durchzugeben - meist ist da eine begrenzte Einreichfrist der Todesurkunde und man will ja nicht so viel angespartes Geld verlieren.

 

 

Wie klein und gering plötzlich die alltäglichen Sorgen und Nörgeleien werden, um die man sich so dreht, im Angesicht eines möglichen Versterbens der Personen, mit denen man die Lebensräume teilt. Zeit zusammenzurücken, Ziele und Wege zu überprüfen. "Sind wir noch am richtigen Kurs?", ist die Frage der Woche. Und wer sich mit Kartenlegen ein wenig beschäftigt hat, der weiß, das die Karte mit dem klapprigen, grauen Tod eine ganz besondere Bedeutung hat: nämlich Neubeginn.