QUALLEN-INVASION

 

 

 

"Ich hab nachgerechnet.", fängt sie den heutigen Abschnittes eines fünfjährigen Dauerdialoges mit ihren Kollegen an. "Du kannst rechnen? Füll lieber deine Weinladen auf.", läuft der Filialleiter an ihr vorbei. "Was denn?", fragt der Große nach, während er die frischen Salate, des gerade eben neu verheirateten Beilagenkochs Schüssel für Schüssel auf das aufgefüllte Eis im langen Kühltresen einräumt und den Rollwagen wieder in den Background zurückschiebt. "Wir stehen 1685 Tage, also 40440 Stunden mit 5 Metern Abstand nebeneinander. Das ist ein bisschen viel, findest du nicht?"

 

 

Er hört sie nicht mehr, weil er längst mit seinen Jungs vor der Tür in der Sonne am sonnigen und gemütlichen Personaltisch seine Nikotinminuten abhält. Lilly überreicht dem frischgebackenen Ehemann, nachdem sie sich am Handy Bilder seiner Hochzeit angesehen hat, die Geschenke für ihn und seine Frau.

 

 

Erst danach fällt ihr ein, dass er Ramadan abhält, deswegen wahrscheinlich auch keinen Alkohol trinkt, womit es um den verpackten, leckeren Bratapfel-Brand geschehen ist. Ein anderer war mal richtig angesäuert, nachdem sie ihm freundlicherweise ein Stückchen ihrer Rum-Traube-Schokolade angeboten hat und er diese kleine Ecke empört wieder ausspuckte. "Wer denkt denn an solche Kleinigkeiten?" wunderte sie sich damals über seine heftige Reaktion.

 

 

Es ist für alle anderen auch nicht leicht, wenn man wochenlang zusieht, wie sich diese Gläubigen, trotz schwerer Tätigkeiten den ganzen Tag ohne Trinken und Essen, ohne Späßchen - abarbeiten, während man selbst jede Stunde mal zum Getränk greift.

 

 

Lilly will zum Strand und freut sich über einen wunderbaren Sonnenuntergang. Die warme Luft und der ruhig vor sich dahin schlummernde Ozean lädt an diesem Abend noch zum Schwimmen ein. "Autsch!" zischt sie ihre Bekannten an, die sich ebenfalls fast in einer Reihe bereits hüfthoch im Wasser befinden. "Quallen!!" Als sie genauer hinsieht, fällt ihr auf, dass ich rund um sie die kleinen Tierchen auf und ab bewegen, was sie raschest aus dem Wasser hüpfen lässt und die anderen auch, außer einem - der taucht trotz allem kurz unter.

 

 

Die Stelle am Oberschenkel ist schon gerötet und brennt heftig. Als sie beim Badetuch ankommt, bemerkt sie auch die zahlreichen angespülten schirmförmigen, wabbeligen Dinger im Sand. "Brauchst du das noch?", deutet sie auf eine Bierflasche und wartet nicht lange auf die Antwort, gießt sich den kühlenden Alkohol über die rote Stelle. "Obs hilft?" fragt derjenige. "Hab ich mal gehört." lacht Lilly und schmunzelt über sein enttäuschtes Gesicht, während jetzt die Haut noch mehr brennt. "Oder stand da NICHT mit Süßwasser oder Alkohol?"

 

 

Sie deckt die Stelle mit einem Häufchen Sand ab und bleibt noch am Badetuch sitzen. "Durch den starken Ostwind wird das warme Oberflächenwasser auf die Nordsee hinausgedrückt und das kalte Wasser aus den tieferen Schichten strömt nach - so kommen die Quallen in Strandnähe.", erklärt ihr ein Kundiger.