Da Lillys Wagen nun repariert und wieder im Einsatz ist, kann es ja aufhören mit den spätsommerlichen Regengüssen. Das Rad steht wieder dort, wo es meistens steht: abgesperrt am Radständer vor der Eingangstür des Wohnhauses direkt unter dem Küchenfenster, nur 2 Etagen tiefer. Da sie es nicht "verlieren" will, nimmt sie sich vor die beiden neuen Räder zu fotografieren und dann doch schließlich registrieren zu lassen. "Wo auch immer das gemacht wird."
Sie hat keine Lust darüber jetzt nachzudenken, weil nachdem sie die Herbstschuhe, was dann auch die gleichen sind, wie Winterschuhe, da es ja zu keinen nennenswerten Schneefällen oder eisigen Straßen oder Gehwegen kommt hier direkt mit dem langen, wunderbaren Weststrand nebenan, die Sonne wieder derart scheint, dass sie wieder in die Sommersandalen schlüpft um nicht als eigenartig angesehen zu werden auf dem immer noch touristengefüllten Pflaster der Fußgängerzone.
Sie beneidet ihre jüngere Schwester um ihr Aussteigerleben in Südamerika, da diese garantiert von einer Anhäufung an Dingen komplett verschont bleibt, weil sie ihre Sache stilecht durchzieht: Sonne rund um die Jahreszeiten, Bikini, Kleid, Sandalen und ein paar Kettchen mit echten Krokodilzähnen und Ohrringe mit farbenprächtigen Pfauenfedern. Es ist totales Abenteuerleben, nicht nur so halb Luxus, halb Strand.
"Deswegen sind wir wahrscheinlich 2 Töchter geworden, damit jede für sich ihr Leben leben kann in der Verschiedenheit.". Lilly merkt, dass es für sie totales Single-Leben in der Wildnis überhaupt nicht mehr geben kann, weil sie schon so lange Mutter ist, dass es sich nicht vermeiden lässt, dass der Wohlstand an der Tür klopft. "Ich könnte in Rente in einen afrikanischen Safaripark verschwinden.". Sie googelt die Big Five und den Krüger-National-Park, findet heraus, dass in Botswana Prince Harry und Meghan urlauben und legt das kleine Notebook beiseite.
Sie versucht die Dinge aus der Sicht ihrer Schwester von einem anderen Vater zu sehen und kommt drauf, dass es nichts bringt, so sein frei leben zu wollen wie sie. "Ein bisschen 'Frozen' hier.". Sie erinnert sich an den Disney-Film, wo eine Schwester im Palast weggesperrt wurde, weil sie mit ihrer Schaffenskraft (noch) nicht umgehen konnte, doch durch die natürliche Art der Jüngeren nimmt es dann einen guten Lauf und das Land blüht auf.
Schwestern wie Tag und Nacht - die eine kann aber im Herzen der anderen mitfühlen, wie es dort ist, wo sie ist. Aber immer wenn es in einen neuen Lebensabschnitt geht, kommt bekommt Lilly Nachrichten oder trifft ihre Schwester und dann kann es wieder weitergehen im Abenteuerfilm.
Dieses Mal hatte sie einen Traum, dass Lilly statt Straßenkunststücken nun in einem Office arbeitet und gar nicht mehr so glücklich ist. "Tja, ich kann nicht ein strahlendes Äffchen auf Lebenszeit bleiben.", schreibt Lilly nicht zurück, aber es ist wunderbar, dass Träume und Gefühle keine 10.000 Kilometer Distanz kennen.