GLÜCKSFALL

 

 

 

Für Lilly verliert ihren Job im Teeladen, weil das Personal im Winter gekürzt werden muss. Damit hat sie nicht gerechnet, da sie sich noch keine Gedanken über die Arbeitssituation auf einer Nordseeinsel gemacht hat bisher. Sie dachte, dass sie hier wenigstens arbeitet, bis sie ihre Mindestversicherungszeiten von zwölf Monaten voll hat und auch gerne länger, da die Lage an der Friedrichstraße einmalig war mit der Nähe zum Strand. Sie hat nicht wirklich so schnell eine Idee, wo sie anfangen soll. Jedenfalls wird das Geld für die nächste Miete zu knapp ohne Ersatzleistungen.

 

 

"Wo soll ich jetzt 960 Euro für Miete, Strom und Heizung hernehmen?". Sie bemerkt generell, dass auf der Insel das Gehalt mit den Mietkosten außerdem überhaupt nicht zusammenpasst. "Hohe Miete, wenig Einkommen - das kann auf Dauer sowieso nicht gut gehen.", sinniert sie so vor sich dahin. "Nicht mal zwölf Monate ist es möglich hier durchzuhalten."    

 

 

Mikes Kontaktzeiten sind immer die gleichen, was Lilly schon unglaublich nervt. Sie hält nichts von dem ganzen Whats App und anderem Handykram. Entweder weiß man, wo man hinwill oder nicht. Da hilft das dauernde digitale Belagern auch nichts. Sie ist jetzt erst mal damit beschäftigt die zwölf Monate rumzubringen, um dann irgendwann paar Wochen Zeit zu haben, weiterzugucken.. "Schön, wäre ein Job bei einer Zeitung oder in einer Verwaltung mit normalen Arbeitszeiten.". Momentan gleicht sie ihren Frühaufsteher-Antrieb im Fitnesscenter im Fitnesscenter aus bis Arbeitsbeginn.

 

 

Das Handy blinkt Tag für Tag um:  7:36, was heißt, um 7:30 steigt er ins Auto ein. Um 10.30 - wahrscheinlich erste Pause, 11.30 - also vor Mittag, dann erst wieder um 15:45 - wahrscheinlich vorm Freunde treffen zum Sport, später um 19.30-20.30. Sie versteht so etwas nicht -wie muss man drauf sein, dass man glaubt, jemand anderer will jeden einzelnen Schritt von einem wissen. Sie ist maximal overdrived, total übersättigt von soviel Input. Irgendwas stimmt nicht.

 

 

Außer Mittwoch, da schreibt er Lilly auch die ganze Nacht durch. "Wenn sich ein Vogel aufs Fenstersims setzen würde, es wäre eine Nachricht wert!". Sie überlegt, wie sie Weihnachten und Silvester gestalten könnte, diese schöne Zeit im Jahr mit beiden Männern in ihrem Leben zu verbringen. Als sie nach seinen Plänen fragt, rückt er mit der Sprache raus: er hat eine Freundin, die sogar bei ihm wohnt - also eine Lebensgefährtin.

 

 

Lilly wundert sich sehr, aber versteht jetzt, warum er oft so schnippisch ist - da vermischen sich die Welten.

 

"Du warst immer so begeistert von mir, deswegen konnte ich dir das nicht gleich sagen." erklärt er, wie es dazu kommt, dass er mit ihr herumflirtet, ihre Zeit in Anspruch nimmt, aber wen zuhause im Bett hat. "Wie genial ist das?" kommt sie dann aber auf die Idee, die Gunst der Stunde und seine temporären Schuldgefühle zu nutzen, sich den Betrag für Januar zu borgen. "Wieviel?" fragt er nur. Zwei Stunden später an diesem Freitag lösen sich ihre Sorgen in Luft auf.