karotten-eis für hunde

 

Sie notiert sich im imaginären Kalender, die Nacht, in der sie auf Sylt in ihrer Wohnung die westliche Fensterwand gänzlich mit Kissen abdichten musste, weil Wind und Regen vom eisigen Wetter so derart unaufhörlich an das Glas und etwaige undichtere Stellen geprescht werden, dass die zwei großen Heizkörper es nicht mehr bewerkstelligen, den großen Raum ausreichend aufzuwärmen, so dass man hier nicht frieren muss. Über ihr ist nur das Dach und nach Süden und Osten auch Außenmauern.
"Seefahrer möchte ich lieber keiner gewesen sein früher. Ein Lob an die Erfinder gemauerter Häuser und Fernwärme.", spricht Lilly sich gut zu, um nicht aufstehen zu müssen, um eine zweite Decke zu holen. Sie vertreibt auch gleich Gedanken an ihren lieben Freund, der zwar Geschäftsführer ist, aber sein "Aussteiger-Leben" trotz allem, so richtig durchzieht. Er bewohnt hardcore einen Deluxe-Wohnwagen auf einem modernen Campingplatz in der Inselmitte. Dauerhaft.
"Das muss wackeln dort. Ob das Vorzelt noch steht? Ob es warm ist drinnen?", grübelt sie, ist neugierig genug, sich per Messenger zu erkundigen, wie es ihm ergeht, während Sabine über die Insel fegt. So würde sie leben, wenn sie keine Sorgepflichten hätte. Freestyle. Mit sich selbst zurechtkommen und auf Prunk und Protz zu verzichten, trotzdem eine Autorität sein... bewundernswert.
Nicht nur wegen des Lifestyles kommen Gedanken an eine männliche Person, auch wegen der Tatsache, dass niemand da ist, um ihre Füße zu wärmen, außer einer Strickweste aus Schafwolle. Lilly hat inzwischen sogar Gänsehaut an den Unterarmen. "Jetzt reicht es aber.". Sie zieht sich die Decke über den Kopf und wärmt die Luft darunter mit ihrem Atem an.
Als Visualisierung, um ihr Empfinden in die Irre zu führen, stellt sie sich den schönsten Strand der Insel vor, findet sich geistig beim Roten Kliff wieder. Das war das Einzige, was sie damals schon einmal - noch in Österreich - gehört hatte von Sylt: Kampen, Strandkörbe, der weiß-blaue Leuchtturm, Pony-Club und Sturmhaube.
Sie ist schon mitten drinnen im Film und hört sogar ihre harten Schuhsohlen über den Holzsteg klappern, Rufe spielender Kinder und das dazugehörige Kläffen der Hunde. Langsam vergisst sie die Kälte. An diesem bezaubernden Strand vor dem Kliff verkauft tatsächlich eine schicke Bude eines In-Restaurants, an dessen Tischen - falls ausnahmsweise einer frei sein sollte - man gefülltes Stockbrot und Garnelen- oder Fleisch-Spieße grillen kann: Eis für Hunde.
Sie wirft nochmal einen Blick zurück auf das Schild, während sie weiter mit ihren Schuhen in der Hand barfuß durch den heißen Sand, der ihre Füße aufwärmt, dem Meer entgegenläuft, welches in regelmäßigen Wellen unaufhörlich vor- und zurückzischt. Tatsächlich gibt es an heißen Tagen, verständlicherweise, Eis für Hunde, sogar in verschieden Sorten. Im exklusiven Kampen scheint dies gut anzukommen. Lilly schläft auf dem Sofa ein, bevor sie dazu kommt, in Kampen ihr Badetuch ausbreiten.