SMOOTHIE-TEST

 

 

 

Niedersachsens Hauptstadt geht ihr nicht mehr aus dem Sinn.

 

 

"War das nicht die Stadt, wo wir uns völlig verfahren hatten mit den Abzweigungen, als wir einen Boxenstopp an der Tankstelle machen mussten?", fragt sie sich in einem ihrer Selbstgespräche, in die sie öfter mal verwickelt ist, seit sie diesen Mann getroffen hat. Anwesend ist er ja nicht, also finden die sinnhaften, lösungsorientierten, antwortspendenden Dialoge ohne ihn statt.

 

 

Sie hat sich damals über die Irrfahrten auf den Hannoveraner Autobahnen derart geärgert, weil ihr die genau so viele Stunden stahlen, dass sie nicht mehr rechtzeitig zur letzten Fähre kam, deswegen in Hamburg bei irgendeinem Neo-Bekannten spontan übernachten musste, was natürlich immer einiges an Hinhaltevermögen und viel belangloses, höfliches, dankbares, aber nicht allzu vielversprechendes, freundliches BlaBla über seinen Job und den Power-Smoothie abverlangt, bis endlich der Tag wieder anbrach und die Anfahrt auf die Insel weiterging.

 

 

"Wow, ich fühl mich immer noch satt und fit.", wunderte sie sich damals über den genialen Smoothie-Effekt. "Das solltest du auch einmal probieren", sie streckt ihrem Sohn den dunkelgrünen Trank hin. Sie kann leicht bluffen, denn die Gehirne der Kinder sind so Werbeslogan-gesteuert, dass dieser gesunde Mix sowieso keine Chance hat. Traurig, aber nicht mehr zu ändern: in ist, gezuckerter, gefärbter Abfall, der in knisternden, bedruckten Tüten verpackt ist.

 

 

Sie findet sich in einem nie enden wollenden Selbstgespräch mit Mike. Es ist, wie bei ihren Großeltern, oder Tom und Jerry, Dick und Doof, Spencer und Hill. Sie kennt ihn noch gar nicht, aber könnte ihn jetzt schon ohrfeigen, weil er nicht anwesend ist, um sie von dem Funken Wahnsinn, der sie, seit sie ihn gesehen hat, durchzieht, wie das Uralgebirge Russland, die Themse London oder ein Blitz den Nachthimmel, zu befreien.

 

 

Es beginnt nun auch aufgrund der örtlichen Distanz ein unendlicher, zeitraubender Whats-App-Dialog, der jeden Vormittag mit "Guten Morgen", beginnt, wenn er zur Arbeit fährt und bevor sie ins Fitnesscenter, dann zur Bibliothek, zur Arbeit, in der Pause an den Strand und eine Stunde Sonne tanken, dann zu ihrem Sohn läuft, zum Lebensmittelhändler, zum Eisladen, wieder an den Strand Sonnenuntergang gucken und andere Eltern treffen, ihren Sohn zu Bett bringt, Mitteilungen der Schule und Hausübungen kontrolliert, in die Dusche hüpft, ab zum Pub zu Friends und Kollegen und Dance abzischt und lange nach Mitternacht zu Fuß unterm weiten, dunklen Sternenhimmel allein und zufrieden nach Hause spaziert, das Handy checkt, glücklich auf ihrem schwarzen Ledersofa einschläft - das sich zwar ausklappen lässt, was sie aber nie macht -, bevor sie der Wecker, die Möwen und der Sohn zur Tagwache rufen, im Radio die Tagesnews verfolgt, Frühstück und Jause zubereitet, wettergemäße Klamotten und erforderliche Schulsachen gecheckt werden.

 

Und das Random. Jeden Tag.